25. Oktober 2023
Aktuell erleiden in Deutschland jährlich etwa 260.000 Menschen einen akuten Schlaganfall. Das ist eine potenziell lebensbedrohliche Erkrankung, die ein sofortiges medizinisches Handeln erforderlich macht. Grund für einen Schlaganfall ist meist eine Mangelversorgung des Gehirns infolge eines Gefäßverschlusses, seltener auch einer Einblutung innerhalb des Kopfes. Folgeschäden mit dem hohen Risiko einer dauerhaften Behinderung sind nur durch den konsequenten und umgehenden diagnostischen Nachweis, sowie die Beseitigung behandelbarer Ursachen zu minimieren.
Bei Verdacht auf einen Schlaganfall ist höchste Eile geboten. Deshalb sollte man nicht zögern, den Notarzt über die 112 zu informieren, wenn Symptome wie Gefühllosigkeit oder Lähmungserscheinungen an Arm, Gesicht oder Bein, plötzlich auftretende Sehschwäche, Schwindel und Gangunsicherheit, sowie ein starker, stechender Kopfschmerz auftreten. „Time is brain“ – Der Faktor „Zeit“ spielt bei der Notfallversorgung von Schlaganfallpatienten also die entscheidende Rolle. „Aus diesem Grund wurde in Wuppertal zusammen mit der Feuerwehr ein Konzept zur schnellstmöglichen Zuweisung der Betroffenen zu jeder Tages- und Nachtzeit in eine hierfür spezialisierte Behandlungseinheit („Stroke Unit“) festgelegt“, sagt der Chefarzt der Klinik für Neurologie und Leiter der „Stroke Unit“ im AGAPLESION BETHESDA KRANKENHAUS, Dr. med. Martin Kitzrow.
Sofort nach Erreichen der Klinik kann so ohne Verzögerung die weitere behandlungs-bestimmende Diagnostik durchgeführt werden. In der Regel handelt es sich dabei um eine Computertomografie des Gehirns mit zusätzlicher Darstellung der Hirnarterien, im Bedarfsfall wird auch eine Magnetresonanztomografie angefertigt. Sofern sich dabei ein behandelbarer Gefäßverschluss darstellen lässt, stehen in der Klinik sämtliche zur Wiedereröffnung geeignete Therapieverfahren zur Verfügung.
Eine besondere Rolle bei der Therapie des Schlaganfalls spielt die Klinik für Neuroradiologie. Sie ist neben einer differenzierten Diagnostik spezialisiert auf die interventionelle Therapie. „Über die Leistenarterie können wir sogenannte Mikrokatheter in die jeweilige Hirnarterie schieben und das verschließende Gerinnsel am Ort des Geschehens selbst beseitigen oder Blutungen stillen“, erklärt Dr. med. Cornel Haupt, Chefarzt der Neuroradiologie. Bis zu sieben Prozent der akuten Schlaganfallpatienten profitieren von dieser sogenannten endovaskulären mechanischen Thrombektomie. Etwa 15 Prozent der Betroffenen erhalten eine systemische Thrombolyse-Therapie, bei der ein Medikament als Infusion über die Vene verabreicht wird. Alles entscheidend dabei ist das sofortige Handeln aller Beteiligten, da einerseits die erwähnten Methoden nur innerhalb der ersten sechs, beziehungsweise viereinhalb Stunden nach Beginn des Symptoms zugelassen sind und andererseits auch generell mit jeder verstreichenden Minute das Risiko für eine dauerhaft verbleibende Behinderung steigt.
Ein Schlaganfall ist jedoch keine einheitliche Diagnose, sondern ein heterogenes Krankheitsbild mit unterschiedlichen Ursachen. Grob lassen sich ischämische (Durchblutungsstörung/Infarkte) und hämorrhagische Schlaganfälle (Blutungen) unterscheiden.
Hier ist die Klinik für Neurochirurgie ein weiterer wichtiger Teampartner bei der Behandlung von Schlaganfällen. „Wird ein Schlaganfall durch eine Hirnblutung ausgelöst und ist diese so groß, dass sie entlastet werden muss, dann werden diese Patienten von den Kollegen und Kolleginnen unserer Klinik für Neurochirurgie operiert“, betont Dr. med. Martin Kitzrow. So kann der Neurochirurg beim „malignen Mediainfarkt“ zum Beispiel durch eine dekompressive Hemikraniektomie eine Druckentlastung des geschwollenen Hirngewebes und somit eine Senkung des intrakraniellen Drucks herbeiführen. „Dies führt insbesondere bei jüngeren Patienten unter 60 Jahren zu einer Reduktion der Sterblichkeit und bleibender Behinderungen“, erklärt Priv.-Doz. Dr. med. Carla Jung, Chefärztin der Klinik für Neurochirurgie.
Die weitere Versorgung der Schlaganfallpatienten im Bethesda erfolgt dann durch ein multidisziplinäres Team bestehend aus Neurologen, speziell geschultem Pflegepersonal, Logopäden, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Konsilärzten anderer Fachrichtungen auf der „Stroke Unit“ oder im Bedarfsfall auf der Intensivstation. Mitarbeitende des Sozialdienstes kümmern sich im Rahmen des Entlassmanagements je nach Erfordernis um die Organisation der Anschlussheilbehandlung oder Rehabilitation, Hilfsmittelversorgung, Einstufung in eine Pflegegruppe oder auch um die Unterbringung in einer institutionalisierten Pflegeeinrichtung.
Um erneute Schlaganfälle zu verhindern, geht man im Kardiologischen Zentrum Elberfeld neue Wege: Schlaganfallursache bei jüngeren Patienten unter 60 ist oft ein „Loch in der Vorhofscheidewand“, ein sogenanntes offenes foramen ovale (PFO). „In mehreren Studien hat sich nun gezeigt, dass der interventionelle PFO-Verschluss (minimal-invasiv über die Leistenarterie) weitere Schlaganfälle verhindert und der ansonsten lebenslang notwendigen medikamentösen (Blutverdünnungs-) Therapie mindestens gleichwertig, zum Teil sogar überlegen ist“, sagt Dr. med. Roger Gerke, Leiter Invasive Kardiologie.
Schlaganfällen bei älteren Patienten über 60 Jahren liegt häufig eine Gerinnselbildung im Vorhofohr bei Vorhofflimmern zugrunde. Hier ist die Einnahme von Blutverdünnungsmitteln (wie z.B. Marcumar) oder sogenannter neuer Antikoagulatien („NOAK“) sehr effektiv zum Schutz vor Schlaganfällen. „Bei Patienten, die Blutverdünner nicht vertragen oder unter Blutungskomplikationen leiden (z. B. Blutungen aus dem Magen-Darm-Trakt), besteht die Möglichkeit, den Ort der Gerinnselbildung, das sogenannte Vorhofohr, zu verstopfen. Diese Methode nennt man Vorhofohrverschluss“, so Dr. Gerke. Sie erfolgt ebenfalls über einen Leistenzugang und wird im Herzkatheterlabor durchgeführt. Auf diese Weise ist bei diesen meist hochgradig schlaganfallgefährdeten Patienten ein Leben auch ohne Blutverdünnungsmittel möglich.